Russlands Protestlandschaft in Karten

Text: Jan Matti Dollbaum; Jakob Reuster (Steckbriefe)Bildredaktion: Anna ArtemevaDatenvisualisierung: Daniel Marcus03.06.2019

Von Kaliningrad bis Wladiwostok, von Korruption bis Waldzerstörung: Drei Karten geben einen Einblick, an welchen Orten Russlands in den vergangenen Jahren wofür oder wogegen protestiert wurde.

Anfang März 2017 veröffentlichte der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ein Youtube-Video, das Ministerpräsident Dimitri Medwedjew der Korruption beschuldigte. Daraufhin protestierten am 26. März und 12. Juni 2017 in ganz Russland tausende, vor allem junge Menschen gegen Korruption in der Politik. Die Proteste waren Teil von Nawalnys Präsidentschaftskampagne , doch sie brachten nicht nur Nawalny-Unterstützer auf die Straße, sondern auch andere Unzufriedene. Insbesondere für die Regionen waren der 26. März und der 12. Juni wichtige Daten, denn die Proteste waren vielerorts die größten seit 2011/12.

Antikorruptions-Proteste 2017
nicht genehmigt69
an anderem Ort genehmigt13
genehmigt3
"Hyde Park"*6
unklar6
Summe97

* Hyde Park? 
Quelle: OWD-Info, Meduza

Die Daten für diese Karte stammen von der russischen Rechtsschutz-Organisation OVD-Info und dem Online-Medium Meduza. Den Teilnehmerzahlen liegen Berichte lokaler Zeitungen, Polizeischätzungen und Angaben der Organisatoren zugrunde. Da unterschiedliche Stellen die Zahlen oft unterschiedlich einschätzen, nennen wir für jede Protestaktion die höchste und die niedrigste angegebene Teilnehmerzahl.

Diese Karte versammelt ausgewählte Protestaktionen der vergangenen Jahre. Die meisten dieser Aktionen haben über ihre Region hinaus Aufmerksamkeit erhalten. Wichtig: Es handelt sich nicht um einen repräsentativen Querschnitt – man kann also an den Zahlen der einzelnen Kategorien nichts über die Häufigkeit solcher Proteste insgesamt ablesen. Vielmehr geht es hier darum, die thematische Breite von Protest in Russland zu zeigen. In den nächsten Monaten wird diese Karte noch weiter wachsen …

Steckbriefe ausgewählter Proteste
Summe0

Quelle: dekoder

Die Daten, die dieser Karte zugrunde liegen, stammen von Tomila Lankina (London School of Economics) und KollegInnen. Der Datensatz basiert auf Einträgen auf der Website namarsh.ru, die von Aktivisten betrieben wird. Die Daten sind frei online verfügbar und sind in mehreren wissenschaftlichen Veröffentlichungen  verwendet worden.

Bei der Nutzung der Daten muss einiges beachtet werden. Erstens: Der Datensatz bildet zwar den gesamten Inhalt von namarsh.ru ab – über welche Protestereignisse dort allerdings nicht berichtet wird, kann nicht nachgeprüft werden. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei diesen Daten nicht um eine vollständige Abbildung der tatsächlichen Protestlandschaft handelt, sondern dass Proteste in manchen Regionen und zu manchen Themen schwächer vertreten sind als in Wirklichkeit und so das Gesamtbild verzerrt wird. Da die Website von politischen Aktivisten betrieben wird, ist es z. B. gut möglich, dass politische Proteste überrepräsentiert sind. Zweitens bedeutet die Zuordnung einer Protestaktion zu einem von sechs Themengebieten  natürlich eine starke Vereinfachung. Wer mehr Kontext braucht, kann in jedem Popup zu den einzelnen Regionen auf „Tabelle“ klicken und bekommt den Ausschnitt des Datensatzes inklusive der Orginal-URLs zu den Artikeln angezeigt.

Überblick: Protest zwischen 2007 und 2016
März 2007
März 2007
März 2007
Dezember 2016
Normierte Protesthäufigkeit
Proteste pro 1 Mio Einwohner im gewählten Zeitraum
Summe0

* Proteste pro Million Einwohner (rechnerisch) im gewählten Zeitraum.
Quelle: Lankina, Tomila V. (2018), Lankina Russian protest event dataset